Schwetzinger Zeitung
Fahrende "Spielleut" - prachtvolle Vollblutmusikanten
Genüssliche
musikalische Zeitreise mit historischen Instrumenten / Jubiläumskonzert zum 25-jährigen Bestehen Ein stürmischer regnerischer Abend, der wohl manche Menschen davon abhielt, irgendeine
Unterhaltungsveranstaltung zu besuchen, nicht jedoch jene, die Musik vergangener Zeiten und mit alten Instrumenten lieben. Die Besucher des Konzerts der "Spielleut" im Palais Hirsch erlebten an diesem
Samstagabend zwei vergnügliche Stunden mit echten Vollblutmusikanten eines Ensembles, das seinem Ruf gerecht wird, eines der besten, wenn nicht sogar das beste seiner Art in Deutschland zu sein, das auch durch
zahlreiche Rundfunksendungen und Gastspiele über die deutschen Grenzen hinaus bekannt geworden ist. Chef des 1977 gegründeten Ensembles ist Willi Schühle, der zwar im hiesigen Brühl geboren
wurde, jedoch im Alter von vier Jahren mit seinen Eltern den Ort verließ. Das besondere Anliegen der vier Musikanten und zwei Musikantinnen, von denen einige schriftstellerisch an die Öffentlichkeit getreten sind,
ist den Zuhörern bei ihren Auftritten die Wurzeln der eigenen Volksmusik näher zu bringen, und das mit dem natürlichen Klangbild alter Instrumente. Eine Besonderheit stellen ebenso die von ihnen
gespielten Instrumente und deren fast unglaubliche Vielfalt und nicht zuletzt die Virtuosität der Musikanten dar, von denen jeder zwei, zum Teil noch mehr Instrumente perfekt beherrscht. Da geben sich Dudelsäcke,
Drehleiern, Schalmaien, Krummhörner, Hackbrett, Mandola, Trommel und noch andere Instrumente ein Stelldichein, es sind teilweise echte Nachbildungen alter Instrumente aus dem 15. und 16. Jahrhundert, deren Originale
heute nur noch in Museen bestaunt werden können. Und noch etwas: Sämtliche Mitglieder des Ensembles überraschten, sei es als Solisten oder als Chor, auch als Sänger durch ihre gut ausgebildeten schönen
Stimmen. Ihr Auftritt versetzte das Publikum in die Zeit, als Fahrensleut von den feineren Bürgern abgelehnt wurden, im gemeinen Volk jedoch immer willkommen waren, wenn sie auf Straßen, Plätzen
oder bei Hochzeiten zum Tanz aufspielten. Entsprechend gewandet machte das Ensemble zunächst mit alten Weisen bekannt, die in den damaligen deutschen Landen, den Niederlanden, Frankreich und Italien zum Liedgut des
Volkes gehörten. Das flämische Kinderlied "Guten Abend" eröffnete den Reigen fröhlicher Lieder und es stellte zugleich den Übergang in die Bourgogne und in die Provence dar, deren Melodienreichtum
gleichfalls zu Gehör gebracht wurde. Mit dem "Ballett", ein von Michael Praetorius 1612 in Nürnberg verfasstes Stück, ging die Reise munter weiter. Da hörte man Tanzlieder, die
eigenartige Anmut ausstrahlten, die Zuhörer machten Bekanntschaft mit einem herzerfrischenden moritatähnlichen Lied über eine "Maus", die umgebracht werden sollte und dann erklang das köstliche, von
Christian Morgenstern verfasste "Der Rheinsalm", das von dem Ensemble in eine von dem Italiener G. Gastoldi 1591 komponierte Melodie eingebunden wurde. "Ach Belinde", ein altes holländisches
Lied, erhielt durch eine besondere Instrumentierung sogar einen schottischen Anklang und so ging es fast pausenlos weiter bis in die heutige Zeit mit dem "Kleinen Raubtier", ein entzückendes Stück, das
1992 von Martina Sirtl, Mitglied des Ensembles, geschrieben wurde. Zu den besonderen Merkmalen des Abends zählten auch der Humor der Musikanten und die wohltuende Heiterkeit ihrer Darbietungen.
Die Besucher waren begeistert, an einigen Zugaben kam das Ensemble nicht vorbei. Unter Musikklängen marschierte das Ensemble nach dem Ende vor den Besuchern her bis zur Ausgangstreppe, um sich dort - wie es sich für
Fahrensleut geziemt - von ihnen gebührend zu verabschieden. Fürwahr eine großartige Geste nach einem großartigen Konzert. pp © Schwetzinger Zeitung -
25.02.2002
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